Schandale, oh oh, Schandale, oh oh oh oh!
Wie will man heute noch Kunst schaffen, die so neu und so störend ist, dass sie einen Skandal auslöst?
Diese Frage stellte sich mir gestern Abend beim Sehen der Dokumentation Bewegte Republik Deutschland. Dort zu sehen einige der legendären Skandale der deutschen Kunst nach 1945: Joseph Beuys Performance mit Hase, Handkes Publikumsbeschimpfung, Stockhausens Elektrogeklimper in Köln, Henzes „Floß der Medusa“ mit Schlägerei im Theater …
Ist solcherlei Aufruhr heute überhaupt noch möglich durch eine Darstellung von Kunst im öffentlichen Raum?
Ich kann es mir kaum vorstellen. In unseren Tagen scheint alles möglich und nichts skandalös (neu) genug, um bei der biederen Masse Empörung auszulösen.
Wie will man in unseren Tagen noch verkrustete Strukturen aufbrechen? Es ist alles gesagt, alles getan, alles gezeigt. Es wurde auch jegliches Material hinauf und hinunter beackert. Man kann nackig und Parolen skandierend durch Kirchen oder auf öffentlichen Plätzen flitzen und wird dafür mit einer Ordnungsstrafe belegt, aber man löst keine Debatte aus. Kunst kann heute über Provokation bis Schock nicht mehr wachrütteln. So scheint es zumindest.
Aber wenn dem tatsächlich so wäre, bedeutete das ein dramatisches Defizit. Denn die Skandale der damaligen Zeit waren nicht einfach nur kalkulierter Aufruhr, sondern führten dazu, weiter zu gehen, die Grenzen zu überschreiten, sie gar zu erweitern, die eigene Zeit kritisch zu beleuchten, mögliche Fragen zu stellen und Antworten zu provozieren. Das war wichtig. Vor allem für die Auseinandersetzung mit der faschistischen Vergangenheit der damals jungen Republik.
Aber solcherlei Auseinandersetzungen fehlen heute. Gibt es noch etwas, für das zu Kämpfen lohnt? Es gäbe ausreichend Gründe. Und kaum einer kämpft. Ich auch nicht.
Ich will den Skandal!